Außergewöhnliche Destillerien mit exotischen Whiskys gibt es viele, doch wenn eine davon den Sprung vom Außenseiter zur festen Größe in der Welt des Whiskys geschafft hat, dann ist es die Kavalan Destillerie aus Taiwan. Sie überzeugt vor allem durch ihre exzellente Fassauswahl und die besonderen Reife-Bedingungen, welche wir bereits in unserem Kavalan Solist Port Cask Test etwas näher beleuchtet haben. Es sind diese ungewöhnlichen Faktoren, durch die Kavalan herausragende Whiskys produziert, die trotz ihres jungen Alters Tiefe und Komplexität bieten.
Heute widmen wir uns einer besonderen Abfüllung der Destillerie: Dem Kavalan Solist Fino Sherry Cask, welcher eines der Highlights der Solist-Reihe darstellt. Wieso diese Abfüllung so einzigartig ist? Nicht nur, dass Whiskys aus einem Fino Sherryfass eher selten sind, Kavalan kombiniert diese außergewöhnliche Fassart auch mit ihrer persönlichen Note und füllt den Whisky mit gerade einmal 4 Jahren ab.
Fino Sherry ist übrigens eine besondere Sherry-Art, die durch ihren trockenen Geschmack bekannt ist und dem Oloroso-Sherry hinsichtlich des Herstellungsprozesses sehr ähnlich ist. Anders als beim Oloroso-Sherry wird der Fino allerdings während der Herstellung nicht der oxidativen Reifung ausgesetzt, sondern behält seine natürliche dicke Florschicht, welche ihn von Sauerstoff abschirmt. Im Vergleich zu den meisten Sherry-Arten wie dem verwandten Oloroso-Sherry ist der Fino weniger süß. Darüber hinaus ist seine helle Farbe sowie die nussigen und würzigen Aromen typisch für ihn. Der weniger süße Geschmack macht ihn übrigens auch zu einem besonders beliebten Aperitif.
Die Frage ist allerdings: Kann ein 4 Jahre alter Whisky trotz der besonderen Fassart wirklich überzeugen und vor allem den recht hohen Preis von aktuell um die 200 Euro rechtfertigen?
Wenn man die Flasche beziehungsweise ihre Umverpackung zum ersten Mal in den Händen hält, merkt man, dass Kavalan sich hier viel Mühe gegeben hat. Die hölzerne Umverpackung sieht wirklich schön aus und wirkt hochwertig. Zugegeben: Ich war besonders von der Farbe des Whiskys im ersten Moment irritiert, denn für den normalerweise hellen Fino ist dieser Whisky überraschend dunkel. Hier wird allerdings weniger der Fino Sherry seine Finger im Spiel gehabt haben, sondern das Fass (der Whisky ist übrigens nicht gefärbt und nicht kühlgefiltert).
Wenn man sich die Flasche näher anschaut, findet man die für Kavalan typischen Eigenschaften, die mir bereits beim Kavalan Solist Port Cask so gefallen haben: Ihr könnt anhand der Codes genau nachvollziehen, wann der Whisky ins Fass kam und wann er schlussendlich in die Flasche gefüllt wurde.
Tasting des Kavalan Solist Fino Sherry
Farbe
Bernstein
Aroma
In der Nase überrascht der Kavalan Solist Fino Sherry Cask ab der ersten Sekunde: Obwohl der klassische Fino eigentlich ein trockener Sherry ist, kommt einem zu Beginn eine recht süße Note entgegen. Aromen von Karamell, Vanille, Holz und dunklen Früchten wie Rosinen und Pflaumen dominieren den ersten Geruchseindruck. Darüber hinaus wirkt er leicht kühlend in der Nase.
Anschließend wird der Whisky würziger mit Muskatnuss und Zimt. Nach einer gewissen Zeit bekommt er eine recht deutliche, aber angenehme Menthol-Note. Wenn man dem Whisky ein bisschen Zeit zum Atmen gibt, werden die fruchtigen Aromen heller und erinnern mich an Aprikose und tropische Früchte.
Alles in allem riecht der Whisky von Kavalan deutlich älter als 4 Jahre. Im Blindtasting würde ich niemals darauf kommen, dass er so jung ist. Seine 57,8 Prozent Alkohol machen sich durch die Intensität der Aromen und ein leichtes Prickeln bemerkbar. Er ist allerdings zu keiner Zeit stechend oder wirkt jugendlich. Wirklich beeindruckend, was man aus so einem jungen Whisky herausholen kann, denn in der Nase wirkt er sehr komplex.
Geschmack
Im Geschmack merkt man den hohen Alkoholgehalt des Whiskys sofort: Er startet sehr kräftig auf der Zunge und ist dabei süß und herb zugleich. Süßer Honig, dunkle Früchte und vor allem bittere Schokoladen-Noten dominieren den Geschmack. Darüber hinaus ist der Whisky schön würzig mit einem Hauch Pfeffer und ab und an scheinen auch Zitrus-Aromen durch. Des Weiteren füllt der Whisky den ganzen Mundraum. Für mich sind vor allem die Aromen der bitteren Schokolade sehr präsent. Dies ist etwas, was ich persönlich sehr gerne mag, wobei es allerdings auch den ein oder anderen abschrecken könnte. Mit ein paar Tropfen Wasser wird er etwas leichter, wobei ich ihn definitiv lieber unverdünnt genieße.
Abgang
Die Schokoladen-Aromen sorgen für einen ausgedehnten Abgang und halten sich lange auf der Zunge. Daneben kommt immer wieder ein leichter Walnuss-Geschmack hervor und an den Seiten der Zunge bleibt der Whisky schön süß. Der Abgang hat mir sehr gut gefallen.
Fazit
Ich bin von diesem Whisky wirklich sehr überrascht. Die 4 Jahre spürt man zu keiner Zeit. Im Gegenteil: Im Blindtasting würde ich ihn besonders aufgrund seiner holzigen Aromen deutlich älter einschätzen. Der Kavalan Solist Fino Sherry Cask ist komplex und man kann lange Spaß mit dem Whisky haben. Besonders der Geruch und der Abgang haben es mir angetan. Die Bitterschokolade dominiert deutlich den Geschmack und man hat wirklich das Gefühl, dass man einen älteren Whisky im Glas hat. Wer diese bitteren Aromen nicht so gerne mag, für den ist dieser Whisky vermutlich nichts. Wenn ihr allerdings auf schöne holzige Sherry-Whiskys steht, dann solltet ihr den Kavalan Solist Fino Sherry Cask definitiv probieren.
Einzig und allein der Preis ist doch recht hoch (wobei man hier wirklich nicht auf das Alter schauen sollte). Für mich ist der Kavalan Solist Fino Sherry Cask die Kirsche auf der Torte, was die Solist-Reihe anbelangt. Wer sich also bereits durch die anderen hervorragenden Solist Abfüllungen probiert hat, der sollte auch beim Kavalan aus dem Fino Sherryfass zugreifen. Wichtig ist hier allerdings: Zeit nehmen und in Ruhe genießen! Erst dann entfaltet er sein wahres Können. Der Kavalan Solist Fino Sherry Cask ist kein Whisky, den man mal eben auf Messen probiert und sich dann ein Urteil bilden kann.
87 / 100
Achtung: Wir haben diesen Whisky zum Testen zur Verfügung gestellt bekommen. Dies hat keinen Einfluss auf unseren Test, was wir auch den Herstellern vorher immer deutlich kommunizieren. Wir bleiben bei unseren Testberichten 100 % unabhängig.